13. Mrz. 2010
Schleswig-Holsteiner Landtag
Bildungsausschuss
Herrn Ole Schmidt
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Sehr geehrter Herr Schmidt!
Der Vorstand des Landeselternbeirats der Grundschulen, Hauptschulen sowie Förderzentren (LEB) hat mit Interesse die Diskussion hinsichtlich der Option zur Rückkehr zu G9 verfolgt.
Ohne vom Bildungsausschuss um eine Stellungnahme gebeten worden zu sein, erlaubt sich dieser dennoch dem Ausschuss seine Auffassung darzulegen.
Die Einführung von G8 betraf und betrifft nicht nur Eltern von Schülern an den Gymnasien. Vielerorts wird verkannt, dass die Grundschuleltern gleichermaßen betroffen sind.
Die Diskussion an welche weiterführende allgemein bildende Schule das Kind angemeldet wird, beginnt bereits mit der Schulartenempfehlung in der Grundschule.
Aktuelle Zahlen des laufenden Schuljahres sind dem LEB zwar nicht bekannt, dafür hat er in seinen Grundschulen und auch an den weiterführenden Schulen recherchiert.
Auslöser waren die Schulartenempfehlungen des Schulabgangsjahres 2008/2009. Ungewöhnlich viele Schüler erhielten eine Realschulempfehlung. Auf Nachfrage der teilweise sehr schockierten Eltern bekamen diese von den Grundschullehrern einhellig zu hören, dass ihr Kind gerade wegen der Einführung von G8 das Abitur am Gymnasium nicht schaffen würde und deshalb eine Realschulempfehlung erhalten habe.
Von diesen betroffenen Eltern nahmen einige die Schulartenempfehlung sehr gelassen hin. Andere Eltern, insbesondere die aus so genannten bildungsferneren Häusern oder Eltern mit Migrationshintergrund folgten häufig viel zu schnell der Empfehlung der Grundschule.
Im verpflichtenden Gespräch am Gymnasien stellte das entsprechende Gymnasium vielfach fest, dass sich weder aus der schulischen Entwicklung und den Zeugnissen des Kindes, noch aus dem verpflichtenden Gespräch sich Hinweise ergaben, das Kind nicht auf ein Gymnasium zu schicken.
Gerade den Kindern, deren Eltern abgeschreckt nicht in das verpflichtende Gespräch gingen nahm man damit die Chance – vielleicht als ersten aus seiner Familie – die gymnasiale Laufbahn einzuschlagen.
Schon bevor der erste G8-Jahrgang zum Schuljahr 2008/2009 eingeschult wurde, war bekannt, dass die Lehrpläne mit der Einführung des G8-Jahrgangs hätten entrümpelt werden müssen. Bereits in der Pilotphase war dieser Umstand dem Bildungsministerium bekannt. Gehandelt wurde jedoch nicht.
Andere Bundesländer hatten bereits Jahre zuvor G8 eingeführt (Bayern z. B. zum Schuljahr 2004/2005). Anstatt aus den Fehlern in den anderen Bundesländern zu lernen, wurden diese in Schleswig-Holstein wiederholt. Unsere Gymnasien standen vor genau denselben Problemen der anderen Bundesländer: Einige von ihnen haben die Lehrpläne entrümpelt, andere bemühen sich redlich, weitere stehen vor einem für sie zumindest nicht schnell lösbaren Problem.
Hätte das Ministerium mit dem Beginn der Umstellung verlässliche und verbindliche Rahmenbedingungen für alle Gymnasien erlassen, z. B. anhand der Erfahrungen des Gymnasiums Kronshagen, und hätten wir deren Erfahrungen und Lehrpläne als Maßgabe für alle anderen Gymnasien genommen, wäre es nicht zu dem Eklat gekommen.
Stattdessen ließ und lässt man die Gymnasien – salopp gesprochen – jedes für sich alleine mehr oder weniger erfolgreich an der Entrümpelung „herumbasteln“. Die Leittragenden sind dabei stets die Kinder.
Wir sprechen stets zu Recht von den knappen Ressourcen an den Schulen. Diese wurden aber sowohl auf Seiten der Lehrerschaft und auch der Eltern an jeder einzelnen Schule ohne Not dadurch gebunden, dass in den verschiedensten Gremien jeder für sich Pläne der Umstellung der Lehrpläne entwickeln musste und aktuell noch dabei ist.
Die Fakten sprechen für sich: Die Kinder sind vielfach derart stark belastet, dass in nicht geringer Zahl der Verbleib auf dem Gymnasium in Frage gestellt wird. Andererseits ergibt sich für die Eltern kaum eine Alternative , da die in Frage kommenden alten Gesamtschulen teilweise zu 100% überlaufen sind und die neuen Gemeinschaftsschulen einfach noch zu jung sind, um leistungsstärkeren Schülern eine echte Alternative zu geben.
Zugegebenermaßen betreffen diese Schilderungen nicht alle Gymnasien. Dennoch gibt es im Lande Gymnasien, die in oder am Rande von sozialen Brennpunkten liegen. Der LEB möchte dies dem Bildungsausschuss an dem Bespiel Kiel vor Augen führen.
Für Kiel geht es um die Ostufer-Gymnasien und das Gymnasium in Mettenhof. Diese weisen (wie EVIT ergab) eine Schülerschaft aus, die aus so genannten bildungsnahen und bildungsfernen Häusern stammen und einen hohen Anteil an Schülern mit Migrationshintergrund aufweisen. Diesen Schulen und deren Schülern muss man zumindest für einen Übergang eine verlässliche Schulperspektive einräumen.
In einem langwierigen Prozess haben die unterschiedlichsten Gremien der Elternvertreter der Grundschulen, Hauptschulen und Förderzentren ausführlich über die Probleme diskutiert.
Im Ergebnis hat der Landeselternbeirat in seiner Sitzung vom 27.02.2010 daraufhin folgende Beschlüsse gefasst:
Beschluss 1:
Der LEB GHFZ fordert die Wiedereinführung des G9-Gymnasiums.
Beschluss 2:
Der LEB GHFZ spricht sich dafür aus, den Gymnasien die Wahlmöglichkeit zwischen G8 und G9 einzuräumen, bzw. diese Angebote auch an einem Gymnasium nebeneinander einzuführen.
Begründung:
Der erste Beschluss beinhaltet keineswegs die Abschaffung des G8-Gymnasiums. Wie dargelegt sollte die einzelne Schule, sofern es die Schulkonferenz wünscht, die Möglichkeit erhalten zu G9 zurückzukehren.
Ebenfalls sollte den bereits gestarteten G8-Jahrgängen die Möglichkeit eingeräumt werden, auf Einzelantrag der betroffenen Eltern ihre Kinder als G9-Jahrgang weiterlaufen zu lassen. Da es sich bei einem Einzelantrag der Eltern und seiner Bewilligung keineswegs um einen belastenden Verwaltungsakt handelt, sollte einer Genehmigung nichts im Wege stehen. Dennoch sollte den betroffenen Eltern mitgeteilt werden, dass diese gegebenenfalls das Gymnasium wechseln müssen. Dieser Passus könnte in eine Nebenbedingung zum Bewilligungsbescheid erfolgen. Nur auf diesem Wege kann uns gelingen, den Streit zwischen den zu recht betroffenen Eltern und dem Ministerium im gegenseitigen Einvernehmen beizulegen.
Darüber hinaus geben wir den Gymnasien, die sich am Rande der Mindestgrößenverordnung bewegen wieder Luft, sich auf die eigentlichen Aufgaben zu besinnen. Dabei sollte nicht vergessen werden, dass viele Umfragen, die in der Vergangenheit von Elternvertretern durchgeführt wurden, eindeutig aussagen, dass das Gymnasium nun einmal die nachgefragte Schulform vieler Eltern ist. Dies trifft gerade und umso mehr jetzt zu, da die gesamte Schullandschaft in Bewegung ist und keiner genau abschätzen kann wohin die einzelnen Schulformen driften.
Nach Auffassung des LEB sollte zumindest auch ein Nebeneinander von G8 und G9 an einer Schule möglich sein. Bereits heute haben wir an zumindest einigen Gymnasien bereits eine äußere Differenzierung durch z. B. die Einführung einer naturwissenschaftlichen Klasse, die freiwillig mehr Unterricht in den naturwissenschaftlichen Fächern durchführt. Die Vielerorts zitierten Hänseleien (ich bin G8, du nur G9) sind nicht bekannt.
Daneben haben Erkundigungen bei Gymnasien, die in der Testphase auch beide Formen angeboten haben (z.B. die Gelehrtenschule in Kiel) ergeben, dass Kinder, die im G8-Zweig nicht so leistungsstark waren und in den G9-Zweig versetzt wurden, dort erfolgreich ihre gymnasiale Laufbahn fortsetzen konnten.
Das Nebeneinander von G8 und G9 wäre zudem geeignet, der Deutschen Wirtschaft auch ein Mehr an Gymnasiasten zuzuführen. Die Gymnasialquote in Deutschland ist bekanntermaßen immer noch sehr niedrig.
Vielfach gehen die Gymnasiasten in Lehrberufe und studieren nicht. Um den Pool der studierfähigen und damit logischerweise auch die Anzahl der Studierenden jungen Menschen zu erhöhen, würde eine Umsetzung der Beschlüsse des LEB GHFZ sicherlich beitragen. Dabei geht es nicht zuletzt auch um die Frage der Studierfähigkeit!
Das Nebeneinander zwischen beiden Zweigen kann aber auch dazu führen, dass an dem G8/G9-Gymnasium später ausschließlich G8 angeboten wird. Erkennen die Grundschuleltern aus Schilderungen ihrer größeren Kinder oder den Erfahrungen Dritter, dass man es geschafft hat, den G8-Zweig sinnvoll und sachgerecht zu entrümpeln, wäre ihnen die Skepsis vor G8 genommen. Dies würde zwangsläufig zu der Fortentwicklung vieler oder aller Gymnasien zu G8 führen.
Den Grundschuleltern ist bekannt, dass jede Änderung des Schulgesetzes zu deren Umsetzung einen Zeitraum von drei bis fünf Jahren benötigt. Sie sind deshalb nicht bereit, ihre Kinder in eine dreijährige Experimentierphase der Schule zu überstellen. Vollmundige Versprechungen des Ministeriums haben Eltern in der Vergangenheit zu häufig erlebt. Genauso häufig wurden sie enttäuscht. Die Eltern wünschen sich lieber den Spatz in der Hand als die Taube auf dem Dach.
Die Eltern sind heute kritischer geworden. Sie haben erkannt, wie wichtig Bildung und zwar eine gute Bildung für ihre Kinder ist. Insofern begrüßt der LEB GHFZ den Vorstoß des Ministers Dr. Eckehard Klug den Schulen und damit den Eltern eine Wahlmöglichkeit für G8 oder G9 einzuräumen.
Mit freundlichen Grüßen
Für den Landeselternbeirat
Uwe Koock
Landeselternbeiratsvorsitzender
Diese Stellungnnahme können Sie hier herunterladen.