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  • 16. Mrz. 2010

    Pressemitteilung des Schleswig-Holsteinischer Elternverein e.V., Kiel / Heikendorf, 16.3. 2010

    „Der aktuelle Streit in der Koalition um die Zukunft des gymnasialen Schulzeitrahmens nützt niemandem, er schadet vielmehr massiv den Interessen der Eltern und ihrer Kinder. Das ist bedauerlich. Die breite Basis der Eltern, deren Kinder jetzt schon im G8-Rhythmus gefangen sind, bzw. deren Kinder im kommenden Sommer auf ein Gymnasium umgeschult werden, wünscht sich die sofortige Rückkehr zum 9-jährigen System lieber gestern als heute,“ sagte Dr.Ulrich Kliegis, Vorsitzender des Schleswig-Holsteinischen Elternvereins e.V., heute in Kiel. „Daher haben wir in Zusammenarbeit mit zahlreichen engagierten Eltern im ganzen Land die Initiative „G9 – jetzt!“ gestartet, die landesweit Unterschriften für die Wiederherstellung des neunjährigen Bildungsganges an unseren Gymnasien, und zwar als Pflichtstandard, sammelt. Dafür haben wir die Webseite http://www.g9jetzt.de eingerichtet.“ Die Unterschriften sollen Anfang Mai der Vorsitzenden des Bildungsausschusses des Landtags überreicht werden. Wir planen zahlreiche Aktionen, Veranstaltungen wie Podiumsdiskussionen, Workshops u.v.m..

    „Wir fordern gemeinsam mit einer schon jetzt beträchtlichen Zahl an Initiativen, die teilweise schon viele tausend Unterschriften gesammelt haben: G9 muß wieder der Pflichtstandard an allen Gymnasien werden. Alle in G8- Bildungsgängen lernenden Schüler müssen zum nächstmöglichen Zeitpunkt die Möglichkeit bekommen, an ihrer Schule wieder nach G9-Rhythmus unterrichtet zu werden, einschließlich der im Sommer neu an die Gymnasien kommenden jetzigen Grundschüler.

    Absehbar ist darüber hinaus, daß so gut wie keine Gemeinschaftsschule einen gymnasialen Bildungsgang anbieten können wird. Wir sehen derzeit aber noch einen sinnlosen, ziellosen Wettlauf zweier konkurrierender Schulsysteme um die Abiturienten, von denen ein System (Gemeinschaftsschule mit Oberstufe) bisher nur auf virtuellem Papier existiert. Das ist ein Wettbewerb, der alle Beteiligten nur Kraft, Geld und Zeit kostet und allenthalben Verunsicherung auslöst, aber kein sinnvolles Ziel hat. Der Versuch, die Gemeinschaftsschulen erst zum Konkurrenten des Gymnasiums aufzubrezeln und dann, nach dem Muster der Hauptschulen, die Gymnasien durch Aushungern zu verdrängen, kann schon jetzt als gescheitert angesehen werden. Das Beharren der CDU auf ihrer Position wirkt, als ob sie die Politik der SPD aus Großkoalitionszeiten immer noch fortsetzen will und sich so zueigen macht. Der billige Trick, dem Gymnasium zur Minderung seiner Attraktivität ein Schuljahr wegzunehmen, wurde von Eltern, Schülern und Lehrkräften sehr schnell durchschaut. Das von der damaligen SPD-Bildungsministerin 2006 im Landtag bestätigte persönliche Ziel, die Gymnasien zu beseitigen, rief schon damals die Realisten in der Bildungspolitik auf den Plan.

    Dieser ziellose und ungleiche Wettlauf zu Lasten unserer Kinder muß beendet werden – durch eine einfache, vernünftige, allen Interessen weitestmöglich gerecht werdende Regelung. Wir fordern den Landtag, insbesondere die Koalition, auf, sich jetzt unverzüglich für eine auf die Stärkung des Gymnasiums in seinem bisherigen Angebotsumfang zielende Regelung im Rahmen der Schulgesetznovelle einzusetzen und darüber hinaus die Voraussetzungen für das Wirksamwerden der neuen Regelung schon zum kommenden Schuljahrsbeginn zu schaffen. Das ist zwar ein organisatorischer Kraftakt, aber der Erfolg und die Zufriedenheit aller Schülerinnen und Schüler und ihrer Eltern werden dafür Lohn genug sein. Was zur Rettung einer angeschlagenen Großbank möglich ist, muß auch für unsere Schulen gehen.

    Hintergrund:
    Im G8-Bildungsgang wird das Pensum der bisherigen 9-jährigen gymnasialen Regelschulzeit – nach der vierjährigen Grundschule – in einen 8-Jahres-Rahmen gepreßt. Die Unterrichtsverdichtung (mehr Stunden pro Tag) findet dabei zudem in den unteren Jahrgängen statt, weil man hier ncoh „Platz sah“. Das führt beispielsweise dazu, daß ein 10-jähriger Sextaner schon 32 Wochenstunden Unterricht hat, zuzüglich der Zeiten für Hausaufgaben, aber noch ohne „Nebenstunden“ wie Chor, Orchester, Schultheater. Sein Studienrat muß hingegen nur 24 Wochenstunden in einer Vollzeitstelle erfüllen. „Das ist eine Überlastung der Kinder, die nicht nur auf Kosten derer Gesundheit und oft auch des Familienfriedens geht, sondern auch zu einer schlechteren Effizienz des Bildungsangebotes führt. Die Wissensmenge, die auch ein gut begabtes Kind pro Tag oder Woche aufnehmen kann, ist begrenzt. Was nicht im Kopf landet, geht verloren. Die Bildungspolitiker der vergangenen Legislaturperiode bemühten das Allerweltsargument „Europäischer Standard“. Schauen wir nur mal nach Frankreich: Dort ist die Regelschulzeit bis zum Abitur zwar 12 Jahre. Aber: über 70% aller Gymnasiasten wiederholen mindestens eine Klasse, viele auch zwei oder mehr. De facto sind es im Resultat also auch 13 oder mehr Jahre Schulzeit. Das müssen wir nicht nachmachen.

    Ein weiteres großes Mißverständnis vieler Schulträger, denen mit dem neuen Schulgesetz auch erstmals die Schulentwicklungsplanung, also die Festlegung, welche Schulart an welchem Ort eingerichtet wird, übertragen wurde, geht auch auf das neue Schulgesetz zurück. Die Gemeinschaftsschule wird dort zunächst als Schule beschrieben, die mit dem Mittleren Bildungsabschluß („Realschulabschluß“) nach Klassenstufe 10 endet.

    In einer zusätzlichen „Kann-“ Bestimmung heißt es dann, daß diesen Gemeinschaftsschulen eine gymnasiale Oberstufe angegliedert werden kann, wenn die Schülerzahlen dieses rechtfertigen. Daraus schlossen viele Kommunalpolitiker, daß es das Gymnasium nun in einer neuen Form gäbe, die sich jeder Schulstandort leisten könne. Welche Kosten mit der Einrichtung einer gymnasialen Oberstufe, welche didaktischen und pädagogischen Voraussetzungen damit verbunden sind, wollte man nicht hören. So wurden dutzendweise bislang hervorragend funktionierender Real- und Hauptschulen zu Gemeinschaftsschulen vereinigt – und fleißig auch gleich jeweils die Oberstufe mitbeantragt. Es machte niemanden stutzig, daß die Gemeinschaftsschulen (bis Klase 10) zwar genehmigt wurden, die Oberstufen aber nicht. De facto gibt es – bis auf die aus den Gesamtschulen, dem bisherigen Lieblingsprojekt sozialdemokratischer Schulpolitik, die urplötzlich wie eine heiße Kartoffel fallengelassen wurden, durch Zwangsumwandlung hervorgehenden Gemeinschaftsschulen keine solche, die auch nur halbwegs solide Aussichten auf die Einrichtung einer gymnasialen Oberstufe hätte.

    Vielmehr zeigt sich, wie an verschiedenen Standorten jetzt schon sichtbar wird, daß die Schulträger einerseits schon mit der Finanzierung des Unterbaus solcher Oberstufen überfordert sind, daß außerdem so gut wie kein Unterricht auf gymnasialer Anspruchsebene als Grundlage für einen späteren Oberstufenbesuch in Anspruch genommen wird, daß also die Versprechung einer für die Gemeinschaftsschulen reservierten 9-jährigen Phase von der 5. Klasse bis zum Abitur nicht sicht- und greifbar ist. Damit kann und muß das von der SPD propagierte Modell eines zweiten, 13-jährigen Weges zum Abitur schon jetzt für tot erklärt werden. Schüler, die an einer Regional- oder auch an einer Gemeinschaftsschule einen guten Mittleren Abschluß erreichen, können nach wie vor anschließend Abitur an Fachgymnasien oder auch Vollgymnasien machen. Diese existieren in ausreichender Zahl und Kapazität. Die Zugangskriterien zu deren Oberstufen sind die gleichen wie für den Zugang zur Oberstufe an einer Gemeinschaftsschule, wenn es denn eine gäbe. Es gibt also keinen Deckel, gegen den Schüler mit gutem Mittleren Abschluß stoßen würden, wenn die Oberstufen für Gemeinschaftsschulen nicht genehmigt werden.

    Nur ein starkes Gymnasium ist auch für die anderen Standbeine des Schulsystems gut. Die Regionalschulen im Land bieten zumindest ab der 7. Klasse weiterhin soliden, begabungsorientiert strukturierten Unterricht an. Die Auflösung des „LGL“, des Langsameren Gemeinsamen Lernens, in den Klassen 5 und 6 ist hoffentlich nur eine Frage ganz kurzer Zeit. Die Durchlässigkeit der Orientierungsstufe, wie sie bis zur Zwangsfusionierung der Sekundarschulen Haupt- und Realschule üblich und segensreich für die Kinder war, muß nach dem Ausflug in die esoterische Beliebigkeit der Gleichbehandlung Ungleicher wiederhergestellt werden. Ein Beispiel: Niedersachsen hatte bis vor einigen Jahren eine zweijährige Schule für alle, die sich an die Grundschule anschloß. Zur Begriffsverwirrung trug bei, daß diese Kurz-Schule auch Orientierungsstufe genannt wurde, sie hatte aber mit unserem Modell wenig gemein. Hier wurden, wie in der Regional- und der Gemeinschaftsschule im 5. und 6. Jahrgang alle Schüler gemeinsam unterrichtet. Es war Sigmar Gabriel, (SPD), gelernter Lehrer, der 2001 in einem Interview der HAZ (14.11.2001) sagte:

    „Die Orientierungsstufe ist zwar besser, als ihre Kritiker glauben. Sie ist aber auch wesentlich schlechter, als ihre Befürworter meinen. Die Orientierungsstufe hat in einem zentralen Punkt versagt: der Förderung der einzelnen Schüler.“
    (Zitat S. Gabriel Ende)

    Sie wurde kurz darauf abgeschafft.

    Heike Franzen, Bildungspolitische Sprecherin der CDU-Fraktion, hat laut einer Pressemeldung vor wenigen Tagen erfreulich klar herausgestellt: Oberstufen an Gemeinschaftsschulen soll es nur dort geben, wo solche nicht den Bestand einer gymnasialen Oberstufe gefährden würden. Hinzuzufügen wäre: …wo Schüler keine erreichbare Alternative haben (eine theoretische Einschränkung). Sechzehnjährigen ist durchaus eine Fahrt im Schulbus zuzumuten – die jetzigen Gymnasiasten machen das ja auch seit vielen Jahren.

    Womit wir wieder beim G8-G9-Problem sind. Einzig sinnvoll angesichts der massiven Kritik und der vielfältigen didaktischen und pädagogischen Gründe ist eine Wieder-Einführung von G9 als Pflichtstandard an allen Gymnasien des Landes. Dieser Rahmen muß dann auch ab sofort für alle schon in G8-Gängen lernenden Kinder offen sein. Es wäre sinnlos, eine G8-Blase durch die eine G9-Welt in den Schulen durchwandern zu lassen. Wo Kapazitäten verfügbar sind, die nicht zu Lasten des G9-Standards gehen dürfen, mag G8 als Option angeboten werden.

    Den Eltern, die jetzt schimpfen, daß ihre Kinder doch kein Problem mit G8 haben, möchten wir unseren Respekt zollen, ihnen aber auch den Gedanken nahelegen, daß sie ihren Kindern dann in einer 9-jährigen Schulzeit noch mehr Förderangebote für einen noch besseren Bildungserfolg vermitteln können. Nur eine vielseitige, viele Fächer und Themengebiete einbeziehende Schulbildung führt zu einer Allgemeinen Hochschulreife, die diesen Namen verdient.

    In diesem Sinne hat sich der Schleswig-Holsteinische Elternverein e.V. entschlossen, den zahlreichen regionalen Elterninitiativen, die sich für G9 als Regelschulrahmen einsetzen, seine Hilfe bei der landesweiten Vernetzung und Bündelung der Interessen anzubieten und in der Initiative „G9-jetzt!“ zusammenzufassen. „Wir freuen uns über den großen Zuspruch zu unserem Angebot und hoffen, daß alle gemeinsam viel erreichen werden. Wir haben eine Webseite http://www.g9jetzt.de eingerichtet, auf der sich alle Interessierten informieren und sich auch zur Mitwirkung anmelden können.

    V.i.S.d.P.:
    Dr.med.Ulrich G. Kliegis
    Schleswig-Holsteinischer Elternverein e.V.
    http://www.Elternverein-SH.de

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